USA / Kanada - Ostküste

Amish Country

Es hat die ganze Nacht gewittert und wir haben ziemlich schlecht geschlafen. Trotzdem müssen wir früh raus, denn wir haben heute die letzte längere Fahrt vor uns. Wir packen also und stehen pünktlich zur Öffnungszeit vor dem Eisladen.

Nach einem schnellen Frühstück brechen wir dann gegen 8:30 Uhr auf. Andreas hat stark mit den Nachwehen der Nuclear Chicken Wings zu kämpfen — das wird wohl eine recht unterhaltsame Autofahrt werden…

Unterwegs passiert dann aber nicht wirklich viel. Wir überqueren die Grenze zu Pennsylvania und lernen nun auch den Independence State etwas näher kennen.

Wir fahren durch schöne Landschaften entlang des Susquehanna River, halten aber nur einmal kurz an einem Wal-Mart, da Christi’s 5 Gum Vorräte zur Neige gehen… Weitere Zwischenstopps, die über eine pee brake hinausgehen, lassen wir sein — wir wollen die Fahrerei nur einfach schnell hinter uns bringen.

Gegen 13:30 Uhr kommen wir dann im Lancaster County an — dem Land der Amish und Mennoniten, über deren Traditionen und Lebensweisen wir etwas mehr herausfinden wollen.

Wir halten zunächst am Mennonite Information Center, um evtl. an einer geführten Tour durch das Amish Farmland teilzunehmen. Für heute ist allerdings bereits alles ausgebucht und so erkunden wir die Gegend auf eigene Faust.

Im Vorfeld haben wir ja schon Einiges über die äußerst konservativen Amish gelesen, die ursprünglich aus der Schweiz und Südwestdeutschland kommen:

Sie müssen strenge Regeln befolgen — andernfalls droht der Ausschluss aus der Gemeinde. Sie leben absolut gewaltfrei und bilden ihre Gemeinden bewusst nur aus freiwilligen Mitgliedern — deshalb gibt es auch keine Kindstaufe und den Jugendlichen ist es freigestellt, andere Lebensweisen auszuprobieren. Sie bewirtschaften Farmen in Familienbetrieben und verzichten auf alle neuen Techniken, so dass sie ohne Strom und Maschinen auskommen müssen. Sie führen generell ein einfaches Leben, was sich unter anderem auch durch ihre Kleidung ausdrückt.

Soweit die Theorie. Wir fahren also einfach mal drauflos — quer durch das Amish Country — und wollen uns das mit eigenen Augen anschauen.

Vieles ist dann so, wie wir es gelesen und erwartet haben: Wir sehen die typischen Pferdekutschen, Wäscheleinen voller schwarzer Kleider, Kinder mit Strohhüten, barfüßige Frauen mit den altertümlichen Hauben, die entweder mit dem Roller unterwegs sind oder mit einem Handmäher den Rasen trimmen, Farmen mit freilaufenden Tieren und jede Menge einfach bewirtschaftete Felder.

Aber vieles ist auch völlig anders als wir uns das vorgestellt hatten: Die Amish leben ganz und gar nicht mehr wie vor 200 Jahren und leugnen auch nicht völlig jeglichen Fortschritt. Die meisten Farmer haben zumindest einen Traktor und wir sehen Propangasbehälter zum Betreiben von landwirtschaftlichen Maschinen. Die typischen Amish-Roller werden im örtlichen Baumarkt angeboten und Reisebusse bringen Touristen zu diversen Läden, in denen Amish-Produkte verkauft werden.

Alles in allem verlassen wir also das Amish Land mit etwas gemischten Gefühlen.


Gegen 18:00 Uhr erreichen wir Honey Brook und checken in unserem Hotel Waynebrook Inn ein. Bei der Reservierung ist wohl irgendetwas schief gegangen — wir haben ein Zimmer mit nur einem King-Size Bett. Das wird wohl zu dritt etwas eng werden — aber für eine Nacht muss es reichen. Ansonsten ist das Zimmer recht groß, gemütlich und preiswert.

Wir essen im Hotel — dem einzig akzeptablen Restaurant in dem 1000 Einwohner zählenden Kaff. Allerdings findet ausgerechnet donnerstags hier im Lokal ab 21:30 Uhr ein traditionelles Karaoke statt und wir lesen in diversen Hotelkritiken, dass dann ein Schlafen vor 2:00 Uhr quasi unmöglich ist. Andreas versucht mich deswegen zu überreden, beim Karaoke doch einfach mitzumachen — wenn wir eh nicht schlafen können…

In der Zwischenzeit erreicht uns die Mitteilung, dass der Hurrikan Irene Kurs auf die Ostküste der USA nimmt und für einige Regionen in New York schon der Notstand verhängt wurde. Für das kommende Wochenende wurden bereits etliche Flüge storniert. Hoffen wir mal, dass wir übermorgen halbwegs vernünftig wieder nach Hause kommen.

Irgendwie erinnert uns das an 2006, als wir von Orlando zurück fliegen mussten und Hurrikan Ernesto im Anzug war. Die Lust auf Karaoke ist uns jedenfalls vergangen…