Patagonien

Rund um Puyuhuapi

Heute werden wir mitten in der Nacht von einer Meute kläffender Hunde geweckt, die — einmal in Schwung gekommen und sich gegenseitig aufschaukelnd — gar nicht mehr aufhören wollen mit dem Krach. Bestimmt 30 Minuten geht das so, bis das beruhigende Plätschern des Flusses wieder die Oberhand gewonnen hat und wir weiterschlafen können.

Um 8:00 Uhr gibt es im Hotel Frühstück. Dieses ist leider eher unterdurchschnittlich — wir sind dabei, unsere Erwartungen diesbezüglich zurückzuschrauben je weiter wir nach Süden kommen.

Eine halbe Stunde später sind wir unterwegs zu unserem heutigen Tagesprogramm: Wir wollen am Vormittag im Nationalpark Queulat wandern.

Dieser Park erstreckt sich über verschiedene Höhenstufen vom Meeresspiegel bis auf 2.225 Meter und ist für seine hängenden Gletscher, sowie für verschiedene Farnarten, Lianen, Bambusse und den Riesen-Rhabarber berühmt.

Die dicken Wolken von gestern Abend reißen langsam auf und die Sonne versucht immer mehr die Oberhand zu gewinnen. Wir sind also recht zuversichtlich, dass wir die Hauptattraktion des Parks — den hängenden Gletscher Ventisquero Colgante — auch zu Gesicht bekommen werden.

Bei der Fahrt aus dem Ort heraus treffen wir wieder auf extrem viele Tramper. Das scheint hier echt so eine Art Volkssport zu sein. Aber für die Backpacker mit ihren riesigen Rucksäcken reicht der Notsitz in unserer Susi leider nicht aus.


Am Nationalpark angekommen, zahlen wir den Eintrittspreis von 8.000 CLP pro Person und haben auf dem (noch) völlig leeren Parkplatz die freie Auswahl.

Wir packen unseren Rucksack, schnüren die Wanderschuhe und laufen gehen 9:15 Uhr los.

Es gibt mehrere Trails unterschiedlicher Länge und wir beginnen mit dem Weg zum Mirador Glaciar, einem erhöht liegenden Aussichtspunkt auf den Gletscher.

Zunächst überqueren wir mit Hilfe einer Hängebrücke den Fluss, der aus der Laguna Tempanos entspringt.

Dann geht es durch dichten Regenwald in vielen Serpentinen — anfangs recht steil — nach oben.

Rundherum ist vom Regen der letzten Nacht alles recht nass, es tropft leicht von den Bäumen und umgestürzte und mit Moos bewachsene Bäume liegen quer über dem Weg — eine richtige Märchenwald-Stimmung.

Die Wege sind entsprechend sehr matschig und so sehen meine neuen Wanderschuhe recht schnell so aus, wie sich das für Wanderschuhe eben gehört…

Auf halber Strecke hören wir auf einmal ein lautes Donnern — da ist wohl gerade ein großes Stück vom Gletscher abgebrochen. Schade, das hätten wir sehr gerne gesehen.

Und auch Wildlife gibt es unterwegs zu entdecken: zum Beispiel einen winzigen Waldkauz, der total drollig auf einem Ast sitzt und sich in aller Ruhe brav von uns ablichten lässt.

Außerdem einige Kolibris — mit denen hätte ich hier im Regenwald überhaupt nicht gerechnet — die aber im Gegensatz zu der kleinen Eule viel zu flink sind, um sie mit der Kamera festzuhalten.

Nach etwa 1:45 Stunden sehr gemütlicher Wanderung kommen wir oben am Aussichtspunkt an.

Den Kampf, den Sonne und Nebel in der Zwischenzeit ausgetragen haben, hat die Sonne leider verloren und so ist vom Gletscher nicht allzu viel zu sehen.

Alles ist unter einer dicken Wolkenschicht verborgen, lediglich die zwei Wasserfälle, die sich in den See ergießen, schauen daraus hervor.

Da jedoch nach wie vor Bewegung am Himmel ist, warten wir etwa eine halbe Stunde, ob wir den Gletscher vielleicht doch noch zu sehen bekommen.

Aber leider ergibt sich keine freie Sicht und auch unser Pusten mit vereinten Kräften kann die dicken Wolken nicht beiseite schieben.

Also machen wir uns irgendwann wieder auf den Rückweg. Dort kommen uns später extrem viele Leute entgegen — es ist eine regelrechte Völkerwanderung. Wir fragen uns, wie die wohl alle auf der kleinen Plattform oben Platz finden wollen und sind froh, so früh gestartet zu sein.

Als wir wieder unten am Parkplatz ankommen, ist noch genug Zeit und so laufen wir auch noch die beiden kürzeren Trails Sendero Laguna und Sendero Panoramico.

Beide sind ganz nett, aber die Aussicht auf den Gletscher ist heute leider von keinem Viewpoint aus wirklich gut.

Gegen 13:30 Uhr brechen wir schließlich wieder auf und verlassen den Nationalpark.


Auf der Rückfahrt stoppen wir bei den Termas del Ventisquero, wo man in den heißen Quellen baden und dabei den tollen Blick über den Fjord Queulat genießen kann.

Der Eintritt ist zwar mit 20.000 CLP pro Person verhältnismäßig teuer, aber man gönnt sich ja sonst nichts…

Inzwischen findet auch die Sonne immer öfter immer größere Wolkenlücken und wir holen uns bei unserem 2.5-stündigen Besuch sogar einen leichten Sonnenbrand.

Irgendwann haben wir ganz schrumpelige Zehen und genug vom heißen Wasser und fahren gegen 16:30 Uhr zurück nach Puyuhuapi.


Hier holen wir uns unsere zweite 10.000 CLP Tankfüllung ab, vertrödeln eine halbe Stunde im Hotel und gehen dann zum Abendessen.

Wir Ianden wieder im Misur, wo es uns gestern richtig gut gefallen hat.

Für mich gibt es heute Papillote Meruha — irgendwas mit Fisch und Kartoffeln in Alufolie — und Andreas nimmt ein vegetarisches Gericht, das am Nachbartisch recht lecker aussieht.

Auch heute sind wir wieder sehr zufrieden mit unserer Wahl und genehmigen uns hinterher noch einen leckeren Nachttisch.


Nach dem Essen spazieren wir noch eine Runde durch den Ort, wo es jetzt am frühen Abend so richtig schönes Licht hat und alles deutlich freundlicher aussieht als gestern mit den dicken dunklen Wolken.

Als ich unterwegs mit einer anzüglichen Bemerkung auf die immer größer werdende kahle Stelle auf Andreas’ Kopf anspiele, beschließt er aus einer spontanen Pisco-Sour-Laune heraus, dass es Zeit für eine Vollglatze ist eek

Ich kann es nicht wirklich glauben, aber er hat es sich jetzt in den Kopf gesetzt — immerhin hätten die Haare im Notfall ja noch drei Wochen Zeit zum Nachwachsen, bevor er wieder in’s Büro muss…

Also muss am Abend dann tatsächlich der Haarschneider herhalten biggrin

Mit dem Ergebnis rundum zufrieden geht es heute gegen 21:00 Uhr relativ früh ins Bett.