Patagonien

Von Lago Posadas nach Las Horquetas

Nach drei faulen Tagen am Stück rafft sich Andreas heute mal wieder zum frühen Laufen auf, ich genieße dagegen noch ein wenig die gemütliche Bettwärme.

Um 8:00 Uhr gibt es Frühstück im Salon, danach checken wir aus und zahlen unsere Rechnung.

Hier in Argentinien ist Cash offenbar sehr gerne gesehen — am liebsten in USD. Wir sind darauf eingestellt und haben entsprechende Bargeldvorräte dabei. Das Rückgeld lassen wir uns in ARS geben, damit wir zumindest ein paar dieser „Flöhe“ in der Tasche haben - man weiß ja nie…

Bevor wir zum nächsten langen Fahrtag aufbrechen, steht direkt vor dem Ortsausgang noch ein bisschen Bewegung an.

Wir laufen auf dem Sendero Cerro de los Indios eine kleine Runde durch die trockene Pampa, kommen dabei vorbei an Felsen in bunten Farben, an den Überresten einer alten Ranch und müssen sogar unerwartet einen kleinen Bach überqueren, der alles im näheren Umfeld satt grün färbt.

Tiere sind außer vereinzelt ein paar Vögeln unterwegs kaum zu sehen, nur vereinzelte Kuhfladen und Knochenfunde deuten darauf hin, dass es hier tatsächlich welche gibt.

Nach reichlich zwei Stunden haben wir unsere Runde beendet und fahren gegen 11:15 Uhr los.


Wir nehmen die nächsten 70 Kilometer Schotter in Angriff und hoffen auf bessere Straßen, wenn wir auf die Ruta 40 stoßen.

Die Strecke ist ziemlich unspektakulär, am abwechslungsreichsten sind noch ein paar Ruinen unterwegs, die hübschen Wattebällchen am Himmel…

… und eine seltene Begegnung mit einem Albino Guanako, was vor uns über die Straße läuft.


Kurz vor Ende der einsamen Schotterstraße sehen wir einen Pickup am Straßenrand stehen, der uns vor einer Weile überholt hat — offenbar zu schnell für die Straßenverhältnisse, denn jetzt hat er einen geplatzten Reifen.

Der Fahrer sieht ein wenig ratlos aus und wir halten an — vielleicht braucht er ja Hilfe.

Und die braucht er in der Tat. Das erste Problem: Er hat angeblich keinen Wagenheber. Kein Ding, er kann unseren haben. Das zweite Problem: Er weiß nicht, wie er das Ersatzrad vom Unterboden seines Pickups abbekommen soll. Ich habe davon keine Ahnung, Andreas versteht kein Wort Spanisch und der Argentinier — der natürlich kein Wort Englisch spricht — scheint auch nicht besonders technisch versiert zu sein.

Irgendwann kommen wir jedoch auf die glorreiche Idee, mal im Handbuch nachzuschauen. Das hat er zum Glück dabei und mit Hilfe der hübschen Bilder darin und meinen wenigen Spanisch-Brocken können die beiden Männer sukzessive ein Problem nach dem anderen lösen.

So finden sie denn nach mehreren Fehlversuchen die richtige Position, um den Wagenheber anzusetzen, bekommen das Ersatzrad von der sichernden Metallkette gelöst und irgendwann auch das zerfledderte Rad herunter.

Irgendwie alles recht kompliziert bei dem Pickup — das war bei unserer Susi deutlich einfacher. Es zieht sich, aber nach einer geschlagenen Stunde ist das Werk vollbracht.

Der Argentinier ist mega happy, bedankt sich überschwänglich und küsst uns fünf Minuten lang ab wink

Wir freuen uns, dass wir ihm helfen konnten — in einer ähnlichen Situation an so einer einsamen Straße wären wir ja auch total glücklich über jegliche Hilfe.


In Bajo Caracoles stoßen wir auf die Ruta 40. Hier gibt es eine Tankstelle, an der wir unsere Reserven wieder auffüllen wollen.

Auf den ersten Blick wirkt alles wie ausgestorben — die Anzeige an den Zapfsäulen ist tot und es ist weit und breit niemand zu sehen.

Aber schließlich machen wir doch einen Tankwart ausfindig, der uns für unsere restlichen ARS etwas Benzin einfüllt.

In USD hätten wir volltanken können, aber der Wechselkurs, den er uns anbietet, ist so unverschämt schlecht, dass wir dankend verzichten und stattdessen unsere letzten „Flöhe“ investieren.

Direkt neben der Tankstelle gibt es ein paar Imbissstände und wir holen uns als Wegzehrung zwei Burger, die extrem lecker aussehen und genauso schmecken.

Mittlerweile hat der Wind ziemlich aufgefrischt, sodass es richtig kühl ist und uns beim Burger essen die Finger zittern.


Ab hier wird die Strecke dann extrem eintönig. Wir fahren kilometerlang stur geradeaus durch eine kahle und ebene Landschaft und machen einfach nur Meter auf Asphalt.

Dabei müssen wir immer wieder unvermittelt Schlaglöchern ausweichen, die teilweise so groß wie eine ganze Fahrbahnseite sind. Ziemlich gefährlich eigentlich, da die Straße — u.A. durch ein explizites Tempolimit von 110 — zum schnellen Fahren verleitet.

Irgendwann ist dann endlich die Estancia La Angostura ausgeschildert. Wir zweigen von der Ruta 40 ab und fahren durch ein Tal mit einer grünen Flussauen-Landschaft bis zu unserer heutigen Unterkunft.

Gegen 17:30 Uhr kommen wir auf der Farm an und lernen Maria und ihre Familie kennen, die dieses kleine Paradies in der Pampa betreiben.

20.000 Hektar Land, 400 Rinder, über 1000 Schafe, ein paar Pferde, Hunde und diverses Federvieh gilt es hier zu versorgen und in den Wintermonaten noch nebenbei Gäste zu betreuen. Respekt!

Wir beziehen unser Zimmer, springen unter die Dusche und machen es uns dann im großen Gemeinschaftsraum gemütlich. Es gibt hier sogar Internet — das hatten wir eigentlich überhaupt nicht erwartet, aber man geht halt mit der Zeit…

Um 19:30 Uhr gibt es Abendessen in der Estancia, für das wir uns beim Check-In angemeldet haben. Es gibt außer der eigenen Kühlbox aber auch nicht wirklich Alternativen hier.

Und es war definitiv die richtige Entscheidung. Wir sitzen mit einer Schweizer Familie mit zwei Kindern zusammen am großen Tisch und tauschen Reiseerfahrungen aus. Sie kommen gerade aus El Chaltén und schwärmen uns vor, wie toll es dort gewesen ist. Offenbar gibt es in der Region gerade ein absolut untypisches Wetterhoch, das noch ein paar Tage anhalten soll.

Das lässt unsere Herzen höher schlagen — morgen kommen wir!!!

Das Essen ist sehr gut und super reichlich. Es gibt solide Hausmannskost: Salat, Kaninchen, Auberginen und rote Beete als Vorspeise, Lamm mit Kartoffeln und Karotten als Hauptgang und als Nachtisch eine ähnliche Creme Caramel wie gestern.

Dazu leckeren Rotwein und angeregte Gespräche und es wird recht spät, bis wir in unsere Kojen hüpfen.