Patagonien
Von Coyhaique nach Villa Cerro Castillo
Da wir für heute eine etwas längere Wanderung geplant haben und vorher noch ein gutes Stück fahren müssen, legen wir einen zeitigen Start hin.
Frühstück im Hotel gibt es erst ab 7:15 Uhr, deshalb packen wir zuerst unsere Sachen und räumen das Auto schon mal ein.
Dann schmieren wir uns aus unseren Vorräten ein paar Brötchen als Wegzehrung und bedienen uns im Frühstücksraum mit Joghurt, Müsli und Obst.
Später kommt dann eine Angestellte und bereitet für uns noch Toast und Rühreier zu.
So sind wir um 7:30 Uhr abfahrbereit und liegen damit zunächst voll im Plan.
Aber dann bemerkt Andreas nach wenigen Metern Fahrt, dass das Auto extrem nach links zieht. Wir halten und sehen das Dilemma sofort: der vordere linke Reifen ist total platt.
Na gut, irgendwann musste sowas ja mal passieren bei diesen schlechten Schotterstraßen und immerhin sind wir bisher bei all unseren Reisen von Reifenpannen verschont geblieben.
Heute ist das natürlich extrem doof und unpassend, aber was will man machen…
Wir montieren also das Ersatzrad drauf und rufen beim Autovermieter an, um uns nach der weiteren Vorgehensweise zu erkundigen.
Die Antwort: Flicken lassen auf eigene Kosten, das könne man in jeder kleinen Werkstatt machen lassen und das würde auch nur wenige Minuten dauern.
Das Problem: heute ist Sonntag, es ist noch sehr früh am Morgen und vor 10:00 Uhr wird sicher keine Werkstatt hier in Coyhaique öffnen.
In Villa Cerro Castillo — unserem heutigen Übernachtungsort — gäbe es auch einen Vulkanisierer und wir überlegen, was wir machen sollen. Ich habe ja schon ein etwas komisches Bauchgefühl, bei den hiesigen Straßenverhältnissen ohne Reserverad loszufahren, aber Andreas entscheidet: no risk no fun — immerhin sind es ja auch nur 100 Kilometer.
Also fahren wir los, zumal sich das Wetter gerade von seiner besten Seite zeigt und wir noch etwas davon für unsere Wanderung abhaben möchten.
Die Landschaft um uns herum ist völlig anders als in den letzten Tagen: kein Regenwald mehr, stattdessen sanfte Hügel, riesige Weideflächen und schneebedeckte Berge im Hintergrund. Und während ich gestern unterwegs fast gar nichts fotografiert habe, knipse ich heute in einer Tour.
An einer Baustelle müssen wir länger warten, da nur eine Fahrspur frei ist und merken dummerweise erst nach 10 Kilometern, dass wir dabei unsere Abbiegung verpasst haben, die mitten in der Baustelle liegt. Also ein Dreherle, wieder zurück und nochmal warten…
Heute geht irgendwie so einiges schief. Aber zumindest fahren wir ausnahmslos auf Asphalt, kommen ohne weitere Reifenpanne an und das Wetter hat auch bis hierher gehalten.
Wir können also unsere Wanderung zum Cerro Castillo — der Burg Patagoniens — wie geplant in Angriff nehmen.
Gegen 10:15 Uhr erreichen wir den Parkplatz am Trailhead, eine reichliche Stunde später als ursprünglich geplant. Aber dafür haben wir tolles Wetter und der Berg liegt relativ frei — wenn das den ganzen Tag so bleibt, können wir voll zufrieden sein.
An einem kleinen Bretterverschlag zahlen wir unseren Eintritt von 18.000 CLP pro Person. Davon gehen 5.000 CLP an den Eigentümer des Privatgrunds, über den das erste Stück der Tour verläuft, der Rest ist die Gebühr für den Nationalpark.
Ein ordentlicher Geldsegen, der dem Landbesitzer so beschert wird, denn der Trail ist offenbar sehr beliebt — da klingelt die Kasse…
Einer der Jungs vom Kassenhäuschen erklärt uns noch die Gegebenheiten, den Verlauf des Weges und die unterwegs wechselnden Markierungen.
Außerdem belehrt er uns, dass wir den letzten steilen und steinigen Teil des Trails nicht unterschätzen und spätestens um 15:30 Uhr mit dem Rückweg an der Lagune beginnen sollen.
Machen wir
Vor uns liegen 16 Kilometer, gewürzt mit 1100 Höhenmetern — auf geht‘s.
Der erste Teil der Wanderung verläuft teils durch den Wald und teils durch saftige Wiesen, auf denen wir immer wieder Kühen begegnen. Auch einige Pferde sind unterwegs zu sehen und der Weg gleicht auf diesem Stück einem Kuhfladen- und Pferdeäpfel-Slalom.
Dabei geht es permanent bergauf und wir kommen schon ein wenig ins Schwitzen.
Nach einer Stunde und den ersten 350 Höhenmetern legen wir eine kurze Pause ein und stärken uns mit einem zweiten Frühstück.
Eine halbe Stunde später erreichen wir die Grenze zum Nationalpark und die Markierungen wechseln von rot-weiß zu gelb.
Es wird deutlich windiger und die Vegetation wird von Schritt zu Schritt spärlicher. Schon bald sind die Sträucher nur noch hüfthoch und wir nähern uns der Baumgrenze.
Und das Aussehen der Landschaft ändert sich weiter: Statt auf fest bewachsenem Boden laufen wir nun über lose Steine und Geröll steil nach oben — begleitet vom patagonischen Wind, der das Vorwärtskommen besonders auf den baumlosen Abschnitten erschwert.
Nach reichlich drei Stunden haben wir es dann aber endlich geschafft: Vor uns liegt die gigantische, schwarze Wand des Cerro Castillo. Ein mächtiger Gletscher hängt am Rand des Berges über einer Lagune, deren türkisfarbenes Wasser jeder Beschreibung von Türkis spottet.
Auch wenn es die Sonne nicht bis ganz nach oben geschafft hat, ist das ein grandioser Anblick.
Allerdings ist es saukalt hier oben und extrem windig, deshalb bleiben wir nur eine halbe Stunde und machen ein paar Fotos, bevor es auf dem gleichen Weg wieder nach unten geht.
Der Rückweg geht dann zwar deutlich schneller, aber auch da ist Trittsicherheit erforderlich und halbwegs gesunde Knie. Meine ächzen unterwegs ganz ordentlich…
Nach weiteren 2.5 Stunden erreichen wir schließlich gegen 17:00 Uhr wieder den Parkplatz — ein bisschen erschöpft zwar, aber glücklich über diese tolle Tour und ich kann meine neuen Wanderschuhe jetzt definitiv als eingelaufen betrachten
Direkt neben dem Parkplatz ist gerade ein großes Fest im Gange. Mit lauter Musik, Rodeo, Gauchos in ihren traditionellen Trachten, Essen und Trinken. Außerdem irgendwelche Männerspiele, bei denen um Geld gewettet wird und ein Metallstück werfenderweise in einer Schlammpfütze platziert werden muss. Wir verstehen die Regeln dieses Spiels zwar nicht, aber erfreuen uns an vielen interessanten Gesichtern
Wir bleiben vielleicht eine Stunde, dann checken wir erstmal im Refugio Cerro Castillo für die nächste Nacht ein.
Wir bekommen ein sehr geräumiges Zimmer mit kleiner Küche, Essecke und einem Balkon mit toller Aussicht. Es ist nett eingerichtet und gefällt uns super. Hier würden wir es durchaus länger aushalten.
Dann trudelt noch eine Email von Booking.com ein: sie teilen uns mit, dass unsere Unterkunft für übermorgen unsere Buchung storniert hat. Na Klasse — und so eine Info bekommt man zwei Tage vorneweg
Da wir nicht groß Zeit damit verplempern wollen, nach einer Alternative zu suchen, gehen wir direkt auf den Vorschlag von Booking ein. Sie bieten eine Unterkunft an, die nur ein paar hundert Meter von der ursprünglich gebuchten entfernt liegt. Sie ist zwar doppelt so teuer, aber den Differenzbetrag bräuchten wir nicht zu zahlen, das würde Booking übernehmen. Na dann lassen wir uns mal überraschen…
Nach Duschen, Fotos sichern und Papierkram erledigen wird es heute ziemlich spät, bis wir zum Essen kommen.
Wir gehen in das nächstliegende Restaurant Puesto Huemul und bestellen dort ein Lammgericht für zwei Personen. Es ist ganz ok, besteht aber eigentlich in der Hauptsache aus Pommes Frites mit ein paar einzelnen Fleischfasern dazwischen. Wir werden satt - Bilder gibt es nicht
Nach ein paar Bier und ein paar Pisco Sour geht es dann torkelnderweise zurück zum Hotel und direkt ins Land der Träume.