Kanada

Going-To-The-Sun Road

Da der Wetterbericht einen wundervollen Tag verspricht und wir diesen voll ausnutzen wollen, klingelt der Wecker bereits um 6:00 Uhr. Wir springen schnell unter die Dusche, packen unseren Krempel zusammen und gehen dann zum Continental Breakfast.

Dieses ist nach all den tollen B&B-Erfahrungen, bei denen wir frühstückstechnisch in den letzten Wochen schon sehr verwöhnt wurden, eine richtige Enttäuschung. Es gibt ein bisschen Obst, Bagels, Toast und Cornflakes und bis zur Unkenntlichkeit verdünnten O-Saft. Natürlich mit Plastikbesteck und auf Papptellern…

Aber es gibt schließlich wichtigeres als Frühstück und so sitzen wir nach dem Auschecken um 7:45 Uhr gut gelaunt im Auto auf dem Weg in den 25 Meilen entfernten Glacier National Park.

Am West Glacier Parkeingang kaufen wir gleich einen Jahrespass, denn den können wir auch 2017 noch nutzen, wenn wir wieder ein bisschen früher im Jahr fahren werden.

Wir besuchen kurz das Visitor Center, erkundigen uns nach den Trails im Park und stöbern ein wenig im Souvenirshop herum.

Und dann geht es auf die kurvenreiche Going-to-the-Sun-Road — eine der schönsten Traumstraßen Amerikas. Die beeindruckende Hochgebirgsstraße schlängelt sich von Westen nach Osten quer durch den Park und überquert dabei auch die Continental Divide — die nordamerikanische Wasserscheide, die Atlantik- und Pazifikzuflüsse voneinander trennt.

Auf dem ersten Stück ist die Straße noch nicht ganz so spektakulär und die Halte- und Aussichtspunkte befinden sich alle auf der „falschen“ Straßenseite, so dass wir erstmal durchfahren bis zum Parkplatz am Avalanche Lake Trailhead.


Es ist mittlerweile schon 9:30 Uhr und nicht mehr ganz so einfach, einen Parkplatz zu finden. Aber wir haben Glück und können recht schnell noch einen ergattern.

Der Weg beginnt am Cedar Nature Trail — einem für Rollstuhlfahrer geeigneten Weg — und entsprechend voll ist es am Anfang. Schulklassen, Rangergruppen, Damen in Stöckelschuhen…

Aber kurz nach Überqueren der Avalanche Gorge zweigt der eigentliche Trail ab und ein gut zu wandernder Naturpfad schraubt sich ab hier stetig nach oben. Jetzt werden es deutlich weniger Leute und uns gefällt es richtig gut. Der Weg führt anfangs direkt entlang des Avalanche Creek, später durch dichten Wald und man hört nur noch das Wasser über die Felsen rauschen.

Nach etwa einer Stunde liegt der glasklare Bergsee vor uns, eingerahmt von steil aufragenden Bergen — ein fantastischer Anblick.

Wir laufen noch ein Stück um den See herum bis zum Trailende und suchen uns dort einen der vielen umgestürzten Bäume als Rastplatz aus. Bei schönstem Sonnenschein genießen wir unser kleines Picknick, bevor wir uns wieder auf den Rückweg durch das schattige Waldgebiet machen.

Je mehr wir uns dem Parkplatz nähern, umso mehr erinnert der Trail dann wieder an eine Völkerwanderung und als wir gegen 12:30 Uhr an unserem Auto ankommen, werden wir von anderen Touristen begeistert in Empfang genommen, die hier auf einen freien Parkplatz warten…

Ich befürchte ja, dass es uns bei unserem nächsten geplanten Stopp am Logan Pass dann genau so ergehen wird…


Aber bis dahin genießen wir erst einmal die Fahrt auf der Going-To-The-Sun Road. Sie wird jetzt richtig spektakulär und wir halten an fast jedem Viewpoint, um die fantastische Aussicht zu genießen.


Gegen 13:45 erreichen wir den Logan Pass — vom Timing her könnte es schlechter nicht sein, denn um diese Zeit herrscht hier absoluter Hochbetrieb. Der Parkplatz ist sowas von voll und überall stehen wartende Autos, deren Fahrer darauf lauern, dass irgendwo jemand rausfährt.

An der Straße parken geht überhaupt nicht und so müssen wir wohl oder übel warten. Wir sind uns anfangs nicht so recht klar über die beste Strategie — kreiseln oder an einer festen Stelle warten? Weiterfahren steht jedenfalls gar nicht zur Debatte, denn den Hidden Lake Trail, der hier am Visitor Center beginnt, wollen wir auf jeden Fall machen.

Nach zwei Runden um den gesamten Parkplatz entscheiden wir uns, in einer Reihe stehen zu bleiben und hier zu warten bis jemand wegfährt. Und wir haben tatsächlich Glück — es dauert nur fünf Minuten bis wir uns einen frei gewordenen Platz schnappen können.

Wir schnüren erneut unsere Wanderschuhe und ich lege mir diesmal auch meine Kniemanschette um, denn mein Knie beschwert sich seit zwei Tagen mächtig, wenn es bergab geht. Noch eben die Trinkblasen gefüllt, mit Sonnencreme eingeschmiert und dann geht es los…

Leider steht gleich am Anfang des Trails ein Hinweisschild, dass dieser heute nur bis zum Observation Point offen ist. Das Gebiet dahinter sei wegen akuter Bärengefahr gesperrt.

Das ist aber schade sad Wir hatten uns so auf diese Wanderung gefreut — aber da kann man wohl nichts machen…

Die 1.5 Meilen bis zum Observation Point laufen wir natürlich trotzdem. Über einen Boardwalk mit vielen Stufen geht es stetig aufwärts durch die Hochgebirgslandschaft mit wunderschönen, bunt blühenden Wiesen. Es ist ein Traum — wenn nur nicht soviele Leute hier unterwegs wären…

An einigen — auch steilen — Stellen müssen wir noch Reste von Schneefeldern überqueren, was besonders spaßig ist für die schick gekleidete Damenwelt mit Pumps oder Badeschlappen wink

Wir haben dagegen keine Not und können uns statt auf den Weg etwas mehr auf die Umgebung konzentrieren und die Landschaft genießen und so entdecken wir gleich zu Beginn in großer Entfernung ein paar Bighorn Sheeps:

Wir hoffen aber eigentlich noch auf Mountain Goats, die man hier am Logan Pass sehr oft antreffen soll und halten weiter gespannt Ausschau. Und in der Tat dauert es gar nicht lange, bis wir die ersten Exemplare zu Gesicht bekommen. Erst ein einzelnes Tier, später eine Mutter mit ihrem Nachwuchs und dann immer wieder neue Bergziegen.

Eine hat eine Art Tracking Sender am Hals — was wohl mit der Forschungsstation zusammenhängt, die es hier am Logan Pass für die Mountain Goats gibt.

Und die Tiere sind überhaupt nicht scheu. Man wird ja immer wieder gewarnt, dass man ihnen nicht zu nahe kommen soll, aber das ist hier fast unmöglich, denn sie kreuzen mehrfach den Wanderweg und wir müssen regelrecht zurückweichen.

Am Overlook angekommen hat man einen wunderbaren Blick auf den unten liegenden Hidden Lake. Wie schade, dass wir da jetzt nicht weiterlaufen dürfen…

Als kleine Entschädigung kommt gerade, als wir am Viewpoint sitzen und unser Picknick gegen die bettelnden Chipmunks verteidigen, nochmal ein Mountain Goat vorbei und positioniert sich direkt am Aussichtspunkt vor der beeindruckenden Hintergrundkulisse. Und er wartet auch noch ganz brav, bis wir alle unser Foto im Kasten haben thumbsup


Zurück am Parkplatz werden wir natürlich schon wieder sehnsüchtig erwartet und wir machen bereitwillig Platz für die nächsten Wanderer.

Auf der Going-To-The-Sun Road geht es jetzt weiter zum Ostende des Parks und da wir noch ein bisschen Zeit haben und an diesem tollen Tag den Park noch nicht verlassen wollen, halten wir am Trailhead zu den St. Mary Falls zu einem weiteren kurzen Spaziergang.

Auf diesem Trail herrscht eine ganz eigenartige Stimmung: Rechts und links des Weges sind die Überreste des letzten Waldbrandes zu sehen und zwischen den ganzen verkohlten Baumskeletten sprießen frisches Grün und pinkfarbene Blumen.

An den Wasserfällen selbst sind die Lichtverhältnisse dann nicht mehr optimal, trotzdem gefallen uns diese Falls mit den gletschergrünen Wassermassen ausgezeichnet.


Gegen 18:00 Uhr verlassen wir dann den Glacier Park für heute und halten in St. Mary noch einmal zum Einkaufen der Marschverpflegung für die nächsten Tage. Außerdem brauchen wir noch bissle was zum Vespern für heute Abend, denn in der Nähe unserer Unterkunft gibt es keine nennenswerten Restaurants.

Kurze Zeit später erreichen wir die Glacier Trailhead Cabins, in denen wir für heute eine Cabin reserviert haben.

Wir bekommen ein nettes kleines Holzhäuschen — etwas abgelegen zwar — aber das ist uns für heute gerade recht. Die Einrichtung ist rustikal aber neuwertig, das Bad minimalistisch und es gibt kein Internet. Dafür einen Grillplatz mit Sitzbänken und eine Küche zur gemeinsamen Benutzung. Ein bisschen gehobene Campingplatz-Atmosphäre — uns gefällt es für eine Nacht.

An unserem Häuschen haben wir eine Terrasse mit Blick ins Grüne, so dass wir zum Essen hier bleiben und aus unseren Vorräten vespern — umgeben vom Piepsen der Vögel und dem Rauschen der Bäume.

Wir hocken noch auf der Terasse bis es dunkel wird und ein erstes Donnern am Horizont zu vernehmen ist. Dann verkrümeln wir uns in unsere Hütte und direkt in’s Bett, denn wir wollen an diesem perfekten Tag keine Regentropfen sehen…