Altiplano
Fahrt nach Susques
Die Nacht in der Hostería Tierra de Marte ist kalt und windig. Zum ersten Mal greifen wir zu den dickeren Decken, die uns zumindest gegen die Kälte helfen – gegen das laute Pfeifen des Windes gibt es jedoch keine Abhilfe. So schlafen wir mehr schlecht als recht und sind entsprechend früh wach. Beim ersten Licht des Tages werfen wir noch einmal letzte Blicke ins Valle de la Luna. Leider geht die Sonne auf der „falschen“ Seite auf, sodass die erhofften Fotos zur blauen Stunde ausfallen.
Das Frühstück ist – gelinde gesagt – ernüchternd: ungenießbarer Instantkaffee, Tee, ein winziges Döschen Marmelade und trockenes, hartes Brot. Kein Obst, kein Saft, nichts. Viel hatten wir ja wirklich nicht erwartet, aber das übertrifft selbst unsere bescheidenen Vorstellungen von „spartanisch“.
In Sachen Verpflegung ist man in dieser Unterkunft wirklich nicht gut aufgehoben. Aber die Lage ist natürlich gigantisch und die Gastgeberinnen sind herzlich und liebenswert.
Beim Frühstück unterhalten wir uns erneut nett mit den anderen Gästen, tauschen Adressen aus und brechen schließlich gegen 8:30 Uhr auf – zur vorletzten Etappe in Argentinien.
Für heute haben wir keine besonderen Aktivitäten geplant; es steht uns eigentlich nur ein längerer Fahrtag bevor.
Doch die Strecke erweist sich als alles andere als langweilig. Zuerst kommen wir am örtlichen Fußballplatz vorbei, wo gerade eine „weiße Lama-Mannschaft“ gegen eine „schwarze“ antritt. Ein charmanter Anblick, auch wenn das Engagement der „Spieler“ noch ausbaufähig ist. 😉
Später passieren wir riesige Felsbrocken, die vermutlich bei einem Ausbruch des Cerro Grande hierher geschleudert wurden…
… und machen an den Lagunas Seca Halt, um uns ein wenig die Füße zu vertreten.
In Liviara halten wir in der Hoffnung, irgendwo ein zweites Frühstück zu bekommen.
Damit sind wir weniger erfolgreich, aber dafür lassen wir noch einmal die Luft von unserem Reifen kontrollieren, da dieser wieder verdächtig platt aussieht und wir heute noch eine lange Strecke vor uns haben, auf der wir nur durch sehr wenige Ortschaften kommen werden.
Ein junger Bursche in der Gomería pumpt uns Luft auf und prüft dann auch gleich mit Seifenwasser, ob irgendwo ein Loch ist – und tatsächlich wird er fündig. Er bietet uns sofort an, das zu reparieren, was wir natürlich gerne annehmen.
Bei der genaueren Untersuchung zeigt sich, dass ein vier Zentimeter langer, rostiger Nagel im Reifen steckt. Nun wundert uns überhaupt nichts mehr – höchstens, wie wir mit diesem Nagel noch so lange fahren konnten, ohne dass die Luft komplett aus dem Reifen gegangen ist.
Das Ganze kostet uns eine halbe Stunde und 10.000 ARS und gegen 10:45 Uhr können wir unsere Reise wieder unbesorgt fortsetzen.
Weiter geht es durch die weite, offene Landschaft, bis plötzlich einige Nandus am Straßenrand auftauchen und das Bild mit Leben erfüllen.
Wir halten kurz an, um die Tiere ein wenig zu beobachten und setzen dann unsere Fahrt fort, immer noch vergeblich versuchend, etwas Essbares aufzutreiben. In den winzigen Dörfchen, durch die wir kommen, gibt es keine erkennbaren Kioske oder gar Restaurants.
Schließlich stoppt uns eine Kolonne von Lkw. Die engen Straßen, Kurven und Steigungen machen ein Überholen unmöglich und wir fahren über 25 km in einer riesigen Staubwolke hinterher.
In Coranzuli bekommen wir schließlich in einem kleinen Tante-Emma-Laden etwas zu essen: frisch gebratene Hamburger. Anfangs etwas skeptisch, werden wir positiv überrascht – die Burger sind richtig lecker!
Eine interessante Beobachtung am Rande: Während wir beim Essen sitzen, kommen mehrmals Leute in den Laden, um etwas zu kaufen. Doch keiner von ihnen bezahlt – alle lassen sich ihre Einkäufe in einem großen, dicken Buch vom Besitzer anschreiben.
Der Rest der Strecke verläuft relativ ereignislos und wir halten nur für den ein oder anderen Fotostopp an.
Gegen 15:30 Uhr kommen wir in Susques an und geben unsere letzten 11.000 ARS fürs Tanken aus. Damit ist der Bargeldbestand komplett aufgebraucht und wir verlassen Argentinien morgen geldmäßig genauso, wie wir gekommen sind.
Dann checken wir im Hotel Pastos Chicos ein, beziehen unser Zimmer und nutzen noch das verfügbare WLAN, um ein bisschen zu chatten.
Dann ziehen wir unsere Wanderschuhe an und machen eine 90-minütige Tour in der Umgebung des Hotels. Ohne ein bestimmtes Ziel laufen wir querfeldein einfach drauf los – gar nicht so unnett hier:
Ein ganz besonderes Erlebnis: Wir treffen auf eine einzelne Ziege mit einem Winzling, der gerade erst geboren ist, man sieht sogar noch die Nabelschnur heraushängen. Wir beobachten Mutter und Kitz eine ganze Weile aus sicherer Entfernung, um sie nicht zu verängstigen. Es ist total entzückend, wie das Kleine versucht, auf seinen Beinen zu stehen, während die Mutter es immer wieder dazu animiert.
Wären wir eine Stunde früher gekommen, hätten wir vielleicht sogar die Geburt beobachten können.
Zurück im Hotel wird der Tag noch einmal kurz aufregend: Als ich in die Dusche will, entdecke ich dort einen Skorpion 🦂😱.
Es ist der erste Skorpion, den ich in meinem Leben gesehen habe und Andreas glaubt mir zunächst gar nicht.
Aber dann zermalmt er das Tier heldenhaft 👍
Duschen fällt für mich heute jedenfalls aus — ein Deo muss reichen 😉
Wir melden den Fund zusammen mit einem Foto an der Rezeption. Kurz darauf rückt das Personal mit Insektenspray an, um die Abflüsse und Fensterrahmen einzusprühen. Die Hotelangestellten behaupten, dass dies kein „richtiger“ Skorpion sei und somit auch nicht gefährlich wäre.
Aber die Google-Bildersuche lässt uns vermuten, dass es sich um einen Tityus trivittatus handelt und bevor ich mich da stechen lasse, bin ich lieber etwas vorsichtiger.
Zum Abendessen gehen wir ins Restaurant der Hostería. Es schmeckt zwar nicht schlecht, aber wirklich begeistert sind wir irgendwie nicht 🤷♀️
Wir gehen recht bald schlafen, aber nicht ohne vorher noch mal jede Ecke des Zimmers auf Skorpione zu überprüfen. Mittlerweile ist uns auch klar, woher die Tiere kommen: Wir entdecken ein riesiges Loch in der Wand des Bads. Mit der Sanitärinstallation haben es die Leute hier in Argentinien offenbar nicht so…